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Die Kinderschuhe von Premium

Audi 80

Einer für alle. Aus heutiger Sicht ein stimmiges Design

Nach kantig kommt rund. Als 1986 der Audi 80 Typ 89 seinen kantigen Vorgänger ablöste machte er vieles neu und vieles besser. Und er war einer der Wegbereiter zu dem, was die Marke Audi heute ausmacht: Ein hochwertiges, besonderes und teures Automobil. Wie sieht das über 30 Jahre später aus?

Rundes Design mit Aero Heck

Der Audi 100 C3 machte es seit 1982 vor – Windschlüpfrigkeit kann ein Verkaufsargument sein. Der nagelneue Audi 80 B3, intern Typ 89 genannt, unterbot den damaligen Rekordhalter mit einem Cw Wert von 0,29 sogar noch ein bisschen und kam in einer bis dahin kantigen Welt so rundgelutscht daher, dass er heftig polarisierte. Was für die einen wie ein Ufo aussah, war für die anderen ein Blick in die Zukunft. Da gab es keine chromigen Stoßstangen oder kantigen Sicken mehr. Jedes einzelne Bauteil am Audi 80 war in zwei Richtungen dreidimensional ausgeformt, sogar die Scheiben.

Damals noch Audi 80. Nachfolgende Modelle hießen A4

Es war die Zeit, in der Limousinen noch als Maß der Dinge galten. So kam der frische Beau zunächst auch ausschließlich als viertüriges Stufenheck mit Kofferraumdeckel auf den Markt. Zwei Jahre später legten die Ingolstädter ein zweitüriges Sportcoupé nach, ab 1990 begeisterte das Audi S2 Coupé mit 220 PS-Fünfzylinder-Turbomotor die bis dahin noch nicht zufriedengestellten Kunden. Der gab mit seinem geänderten Design schon einen Ausblick auf den Nachfolger B4. Wer es oben offen mochte, griff ab 1991 zum Audi Cabriolet auf der gleichen Plattform, diese Serie wurde sogar bis zur Jahrtausendwende gebaut.

Freundlich, aber nicht langweilig

Rot sehen in der Mittelklasse

Was die Audis in diesen Zeiten besonders machte waren unter anderem die roten Instrumentenbeleuchtungen. Bei Nacht saß man tatsächlich gefühlt in einem Ufo, alle anderen Hersteller beleuchteten ihre Armaturen entweder weiß oder grün. Das Gestühl ist auch nach vielen Kilometern noch hochwertig und straff, die Verarbeitung des Leders und der Kunststoffe entspricht dem hohen Anspruch. Natürlich wirkt alles mit dem Blick eines 2023er Neuwagenkäufers etwas karg und schlicht, schließlich sind auch die letzten Baureihen des Audi 80 längst im Oldtimeralter angekommen. Und schon damals stattete die Konkurrenz aus Japan und Europa ihre Autos ab Werk wesentlich üppiger aus.

Nicht viel drin – fehlt aber auch eigentlich nichts

So ist das Angebot an Ersatzteilen vor allem im Innenraum dürftig. Zählt man noch das Alter und die umstrittene Ersatzteilpolitik des Konzerns dazu, sollte man sich darauf einstellen, für verschlissenes Interieur eine Menge Geld ausgeben zu müssen oder es gar nicht zu bekommen. Wenn man denn Perfektionist ist. Aber da sogar das originale Kassettenradio rötlich leuchtet, wäre doch alles andere ein Frevel, oder? Seid mal ehrlich – wann habt ihr zuletzt eine Audiokassette gehört? Wäre das nicht mal wieder was?

Kasetten… Wenn schon retro, dann aber richtig!

Innovationen und Hausmannskost

Technisch zeigt sich der Audi robust und reparaturfreundlich. Die großzügig dimensionierte Karosserie erlaubt einen guten Zugang zu fast allen Bauteilen. Die Motoren gelten als genügsam und langlebig, solange man die Wechselintervalle der Zahnriemen penibel einhält. Über die Jahre änderten sich die Daten der Triebwerke immer wieder mal. So gab es beim 1.6 Liter Benziner noch Vergaservarianten statt Saugrohreinspritzung, auch finden sich Exemplare ohne, mit ungeregeltem oder geregeltem Katalysator. Steuerlich ist das heute dank des möglichen H-Kennzeichens einigermaßen egal, aber die Ersatzteile unterscheiden sich doch erheblich.

Der Motorraum ist aus heutiger Sicht richtig übersichtlich

Als damaliges Top-Sicherheitsmerkmal konnte ab diesem Modell das System Procon-Ten erworben werden. Hier zog bei einem Frontalaufprall der sich nach hinten verschiebende Motor über umgelenkte Stahlseile die Lenksäule vom Fahrer weg in das Armaturenbrett und straffte gleichzeitig die Gurte. Das wirkte vor allem in Kombination mit den ersten Airbags innovativ, setzte sich aber wegen diverser Nachteile nicht dauerhaft durch. Die Feuerverzinkung der Bleche wiederum war in dieser Klasse ein Novum und sorgte dafür, dass auch heute noch relativ viele Audi 80 im Alltagseinsatz zu sehen sind. Trotzdem findet man nach 30 Jahren Durchrostungen und Kantenrost.

Kleine Klappe, hohe Ladekante

Kofferraum-Tetris

Auch wenn der Audi 80 B3 grundsätzlich ein recht großes Auto ist – er fühlt sich nicht so an. Das Platzangebot im Inneren ist okay, aber auf dem Rücksitz kommt man als groß gewachsener Mensch schnell an die Grenzen der faltbaren Körperlichkeit. Vor allem der Kofferraum hat den Testern damals die Petersilie verhagelt. Er ist zwar recht geräumig, aber sehr zerklüftet. Größere Gegenstände wie Schubladen oder große Koffer passen da schlicht nicht rein. Wenn man statt des Notrads ein echtes Ersatzrad mitnehmen möchte ist der quasi schon voll.

Hier kommt man noch selbst klar

Selbst reparieren? Aber ja.

Wie bei fast allen älteren Fahrzeugen mit schweren Motoren sind die Traggelenke und die Achsschenkel beim Audi 80 auch irgendwann verschlissen. Die lassen sich auch von einem Laien gut wechseln. Die Abgasanlagen erlangen ab Werk ein biblisches Alter, Ersatz wird langsam knapp. Alle anderen Teile wie Generatoren, Klimakompressoren, Zündkerzen und –kabel oder Bremsen sind aus dem VAG/Audi Baukastensystem und dank millionenfachem Einsatz einfach zu bekommen und zu ersetzen. Greift man nicht auf einen runtergerockten B3 im immer noch dreistelligen Bereich zurück, sollte man auch nach 30 Jahren eine gute und zuverlässige Limousine bekommen. Das Gros liegt heute im Bereich um die 2000€. Und mal ehrlich – guckt der nicht wesentlich freundlicher als seine jungen Brüder?


Autor: Jens Tanz – Sandmann


Audi 80 B3 (Typ 89)
Karosserieversionen: Limousine, Cabriolet, Coupé
Ottomotoren: 1,6–2,0 Liter (51–101 kW)
Dieselmotoren: 1,6-1,9 Liter (40–59 kW)
Länge/Breite/Höhe: 4.400/1.695/1.395 mm
Leergewicht: 1.100 kg
Produktionszeitraum: 1986-1991

 

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