In den 90er Jahren wurde es auch für Premium Hersteller hip, ein kompaktes Modell im Portfolie zu haben. Audi stellte 1996 den A3 vor, der ab 1997 beweisen konnte, dass auch er ein echter Audi ist.
Der bessere Golf
Ein Hoch auf das Baukastenprinzip, mit dem Volkswagen und Audi auch schon in den 90ern munter ihre Komponenten mischten. Die Ingolstädter schufen mit der PQ34 Plattform eine Grundlage für eine Menge kommender Modelle, neben dem ganz neuen Audi A3 und dem TT stellte sie auch das System für den Golf IV und seine Ableger Jetta und Bora, den New Beetle, Seat Leon und Skoda Octavia. Ebenfalls vom angekündigten Golf IV übernahm man die meisten Vierzylinder und verpackte alles in ein auditypisches Ambiente – fertig war das Erfolgsmodell.
Dass der kleine, sportlich abgestimmte Audi auch heute noch nicht so aussieht, als würde er stramm auf die 30 zugehen, hat mehrere Gründe. Zum einen wurden über die Jahre in verschiedenen Standorten rund 913.000 Stück produziert, das den Kompaktwagen im Straßenbild recht präsent gehalten hat. Zum anderen haben eine gute Verarbeitung und der Einsatz von Aluminium und GFK ein langlebiges Fahrzeug entstehen lassen, dass sich auch nach über 20 Jahren noch frisch und „wie ein Audi“ anfühlt.
Dieses Audi-Gefühl
Wie genau sich ein Audi „anfühlt“ können wohl alle beschreiben, die vor rund 30 Jahren die neuen Generationen gegen die Konkurrenz ausprobieren durften. Während heute fast alle neuen Autos irgendwie leise, komfortabel und wertig erscheinen, gab es damals gewaltige Unterschiede. Der A3 kam zunächst nur als Dreitürer, um dem ein Jahr später debütierenden Golf IV keine interne Konkurrenz zu machen. Auch wenn die Ausstattung bei anderen Herstellern klassisch besser war als bei VW und Audi – nach dem Einsteigen fühlte man sich quasi zu Hause. Straffe, bequeme Sitze und ein wertiges Interieur vermittelten schon im Stand das Gefühl, in einem guten Auto zu sitzen. Man hatte das allerdings auch teuer bezahlt, es war „schon immer etwas teurer, einen Audi zu fahren“, wie der Volksmund sagt.
Ich seh‘ rot!
Spätestens nach dem Start der Maschine und dem Einschalten des Lichts ist auch der kleine Audi A3 bei allen Sinnen seiner Fahrer angekommen. Die durchweg rote Innenbeleuchtung muss man nicht mögen – kann man aber. Alles ist warm und nicht aggressiv beleuchtet. Die Instrumente bauen sich ergonomisch vor einem auf, alle Schalter sind gut erreichbar und sitzen dort, wo man sie erwartet. Tacho und Drehzahlmesser dominieren das Cockpit, drumrum ist nicht viel Killefit der einen ablenkt. Schalter für Licht und Lüftung, autofahren kann so einfach sein. Auch wenn die Materialien ein wenig schmutzanfällig sind, unser 25 Jahre altes Fotomodell fühlt sich immer noch wertig an. Auf dem Rücksitz findet man in der Kompaktklasse wie gewohnt nicht viel Platz, das ändert auch der 1999 nachgelegte Fünftürer nicht.
Durstig, aber langlebig
Die Motorenpalette der 90er hält heute keine Überraschungen mehr bereit. Wer den 1.6 Liter Motor wählte, hat die gleichen Probleme mit herausfallenden Nieten wie die zeitgenössischen Golffahrer. Grundsätzlich waren Benziner und Diesel frontgetrieben, Quattro gab es auf Wunsch oder beim sportlichen S3 serienmäßig. Alle Motoren drehten serienmäßig an einem 5-Gang Getriebe, die S3 Quattros an einem 6-Gang Getriebe. Optional bot Audi eine 4-Stufen Automatik, auch mit Tiptronic, an. Die Benziner sind aus heutiger Sicht, egal ob mit oder ohne Turboaufladung, relativ durstig. Den 1.8 Liter bewegten wir auch über Land selten unter 9 Litern Super. Nur die inzwischen legendären 1.9 Liter TDI Triebwerke begnügen sich mit 5 Litern Diesel und erreichen bei guter Wartung ein biblisches Alter. Auf den Zahnriemen muss man bei allen Varianten achten.
Für jeden was dabei
Der in Deutschland bis Sommer 2003 gebaute Audi A3 8L kam in den Ausstattungen Attraction, Ambition, Ambiente und S-Line. Mit oder ohne Klimaanlage, mit oder ohne Schiebedach, diese und jene Felgen – heute sind unzählige Varianten auf dem Markt, die für jeden Geschmack und Geldbeutel was bieten. Fahrbereite, intakte Exemplare gibt es schon für dreistellige Beträge, allerdings sollte man bei einem Audi generell auf Wartungsstau achten. Die Ersatzteile gehören nicht zu den Superschnäppchen, aber durch die baugleichen Komponenten bei VW, Seat und Skoda sind alle gängigen Verschleißteile immer noch problemlos zu bekommen.
Die üblichen Verdächtigen
Aktuell sind in Deutschland mehr als 500 Fahrzeuge des Audi A3 8L auf dem Markt. Seine typischen Schwachstellen gleichen denen der Baukasten-Geschwister. Bei allen Motoren neigen die Wasserpumpen und Lichtmaschinen zu vorzeitigem Verschleiß, auch sind defekte Luftmassenmesser (LMM) manchmal der Grund für unrunden Motorlauf. Die Spurstangenköpfe der Vorderachse poltern, wenn sie ausgeschlagen sind. Auch die Hinterachse rumpelt gern nach hohen Laufleistungen in ihren Lagern. Elektrisch spinnen die Zündschlösser und die Zentralverriegelung gern im höheren Alter, und die elektrischen Fensterheber verweigern ihren Dienst. Aber das kennt man ja alles von anderen Fahrzeugen auch.
Viel Kompaktklasse für’s Geld
Als Fazit kann man ganz oberflächlich zusammenfassen: Wer ein robustes, wertiges Kompaktmodell ohne große Allüren und ohne nennenswerte Rostprobleme sucht, ist mit einem Audi A3 der Baureihe 8L gut beraten. Nachdem auch die letzten Baujahre inzwischen „Youngtimer“ Status erreicht haben und die ersten bald schon ein Oldtimer sind, wird sich der Markt sicher noch weiter ausdünnen. Ein Audi A3 ist unspektakulär und verrichtet seine Arbeit so wie er soll. Und er ist noch immer einen Hauch cooler als die zeitgenössischen Modelle von VW, allein schon wegen der roten Cockpitbeleuchtung. Lasst euch mal drauf ein. Wenn man sich auf aktuelle Kompaktwagen einlässt, die aussehen wie Insekten nach einem Unfall und im Inneren mit Hurratüten-Ambiente punkten – ist so ein Erstserien-Audi A3 irgendwie angenehm unaufgeregt.
Audi A3 (Typ 8L)
Karosserieversionen: Kombilimousine
Ottomotoren: 1,6–1,8 Liter (74–165 kW)
Dieselmotoren: 1,9 Liter (66–96 kW)
Länge/Breite/Höhe: 4152/1735/1420 mm
Leergewicht: 1.100 kg
Produktionszeitraum (D): 1996–2003