Einige Autos sind aus dem deutschen Straßenbild der letzten 30 Jahre nicht wegzudenken. Der Dauerläufer Opel Kadett gehört noch immer dazu.
Ein Auto für die Massen
Als 1984 der Opel Kadett E seinen kantigen Vorgänger D ablöste, mussten sich die Augen der Kunden erst einmal an einige wirklich ungewohnte Rundungen und einen seltsamen, in den Stoßfänger runtergezogenen Plastikgrill gewöhnen. Nicht allen fiel das leicht, mein jüngeres Ich gehörte zu diesen Zweiflern. Die Presse nannte den in über 1200 Stunden im Windkanal optimierten Wagen „Windei“, honorierte aber den guten CW-Wert von 0,32. Nach dem Facelift 1989 sah die Front ein bisschen gefälliger aus. Der kompakte Fronttriebler war – so oder so – im Herzen ein echter Opel, technisch nicht viel anders als sein beliebter und ausgereifter Vorgänger und vor allem in Sachen Vielseitigkeit unschlagbar.
Der Opel Kadett als Wandlungswunder
Bei seiner Vorstellung kam der Opel Kadett E gemäß dem Zeitgeist als typische Schräghecklimousine mit drei oder fünf Türen oder als Kombi, der in Rüsselsheim traditionell „Caravan“ genannt wird. Auch den gab es nur mit drei Türen, was heute nicht ganz uncool ist. Der dreitürige Caravan kam auch auf Wunsch als Lieferwagen ohne hintere Seitenscheiben mit genug Platz für die eigene Firmenbeschriftung. Auf dieser Basis fertigte Opel zwischen 1986 und 1994 parallel den „Combo“ mit höherem Dach, Blattfedern und einer Hecktür. 1985 wurde ein fünftüriges Stufenheck („Formheck“) nachgelegt. Ab 1987 gab es das bei Bertone gebaute Cabriolet.
Wenn nur der Rost nicht wäre
Wie fast alle Autos der 80er und 90er Jahre steckte auch beim Opel Kadett der Korrosionsschutz noch in den Kinderschuhen. Auf nassen deutschen Straßen wurde im Winter mit Salz nicht gegeizt, und diese ätzende Mischung setzte sich besonders beim E-Kadett in einigen Ecken besonders gern fest. So fand man schon nach wenigen Jahren hintere Radläufe, die einfach rausrosteten. Die vorderen Lampentöpfe erwiesen sich als Wasserfallen, die Aufhängung des hinteren Stoßfängers rostete im Spritzwasser etwas länger unbemerkt. Die vorderen Schweller und die Unterkanten der Türen lösten sich förmlich auf.
Die Nähmaschinen unter den Kompakten
In der Szene frotzelt man immer wieder liebevoll über Opels früheste Vergangenheit, als Adam Opel vor rund 160 Jahren noch Nähmaschinen fertigte. Inzwischen waren die Herzen des damals größten deutschen Automobilkonzerns aus Stahl und verbrannten Benzin – und das taten sie sehr zuverlässig. Die Vierzylindermotoren des Kadett E reichen vom kleinen 1.2S mit 55PS bis zum 2.0 GSI 16V mit 150PS, die Dieselmotoren vom 1.6D mit 54PS bis zum 1.7TD mit 82PS, wobei die Turbodiesel eine Entwicklung von Isuzu sind. Allen Motoren sagt man eine biblische Laufleistung auch unter rauen Bedingungen nach, nur der opeltypische Ölverlust mit zunehmendem Alter ist überall zu finden. Aber die meisten Modelle lagen da schon durchgerostet auf dem Autofriedhof.
Läuft wie auf Schienen
Das Fahrwerk des Opel Kadett E wurde mehr oder weniger vom Vorgänger übernommen. Die Einzelradaufhängung an MacPherson-Federbeinen mit unteren Querlenkern vorne und eine Verbundlenkerachse hinten waren robust und hatten sich bewährt. Für das Vorankommen wurden handgeschaltete Vier- und Fünfgang-Fahrzeuggetriebe an die Motoren gehängt. Mit einigen Motoren konnte ein GM Dreigang-Automatikgetriebe (THM 125) geordert werden.
Opel Kadett GSI als sportliches Spitzenmodell
Als Schrägheck und Cabriolet stand der GSI (Grand Sport Injection) als direkter Konkurrent dem Golf II GTI gegenüber. Selbst mit dem anfangs verbauten 1.8 Liter Motor war das leichte Fahrzeug schon eine kleine Rakete, mit den 2.0 Motoren (C20NE mit, 20SEH ohne Kat) ab Modelljahr 1987 war er ein kleiner Rennwagen. Wegen der tieferen Schürzen und der optimierten Spoiler kam der kleine Sportler sogar auf einen noch besseren CW Wert von 0,3 und knackte entspannt die damals magische 200 km/h Marke. Außerdem lockt der GSI mit dem heute sehr coolen, damals sehr umstrittenen Digitalinstrument und einigen schicken Goodies im Interieur.
Helmut Schmidt hatte Geschmack
Unser Fotoobjekt wurde von 1991 bis 1996 von Altkanzler Helmut Schmidt gefahren und ist heute bei Opel Classic in Rüsselsheim zu bewundern. Mit gedeckten Farben außen und innen kommt das ab Werk dezent verspoilerte Fahrzeug staatsmännisch und ob seiner Größe fast bescheiden daher. Schmidt orderte das Neufahrzeug mit manuellem 5-Gang Getriebe und genoss vermutlich den dezenten Komfort und den tatsächlich vorhandenen Kofferraum. Der Opel Kadett GSI fährt sich auch heute noch wie ein zeitgenössischer Kompaktwagen mit dem Vorteil, dass er nicht ganz so viel elektronischen Killefit und ablenkende Displays hat.
Ersatzteile sind gut zu bekommen
Der Vorteil eines „Verbrauchsmodells“, was innerhalb eines Baukastensystems mehr als 3.779.000 Mal ausgeliefert wurde, ist die auch nach 30 Jahren noch immer gute Ersatzteilversorgung. Verschleißteile wie Bremsen, Zündkerzen, Benzinfilter oder Luftfilter gibt es zuhauf, auch Anbauteile für alle Motoren wie Lichtmaschinen, Servopumpen oder Fahrwerkskomponenten wie Radlager und Traggelenke werden auch noch lange zu bekommen sein. Wenn ihr also einen im Blech gesunden E-Kadett bekommt (gibt es welche?) oder schon einen restaurierten findet – greift zu. Ein Altkanzler konnte sich nicht irren, auch wenn nicht überliefert ist, wie seine Katze abging oder ob er überhaupt eine hatte. Aber Opel gehört heute ja auch zu Stellantis.
Opel Kadett E GSI (C20NE)
Baujahr: 1991
Motor: R4 Benzin
Hubraum: 1.998ccm
Leistung: 115PS bei 6.000/min
Max. Drehmoment: 195NM bei 4.800/min
Getriebe: 5-Gang Schaltgetriebe
Antrieb: Vorderräder
Länge/Breite/Höhe: 3998/1663/1410mm
Leergewicht: 945kg
Beschleunigung: 0-100 in 7,9s
Top Speed: 217km/h
Wert: 5.000€ – 9.000€
