Volkswagens Polo war immer klein und genügsam. Er wollte auch nie mehr sein. Ab 1994 gab der Konzern den veränderten Kundenwünschen nach und pumpte den Kleinwagen mächtig auf. Das Ergebnis sind wir mal eine Runde über die Dörfer gefahren.
Ein Polo wie ein Golf
Nach 13 Bauzeit wurde der Verkaufsschlager Polo 86c vom Polo III (oder auch Polo 6N) abgelöst. Erstmals konnten Kunden den kleinen Hüpfer nun auch als 5-Türer kaufen, ein Jahr später als Limousine und ab 1997 sogar als Variant! Was nach toller Vielfalt klingt stieß den Puristen Mitte der 90er zunächst aber sauer auf. Der neue Polo war nun fast so groß wie ein Golf! Den Gebrauchtwagenkäufer heute freit es allerdings, der Kleine bietet vergleichsweise viel Platz und ist unschlagbar günstig in den Ersatzteilen. Volkswagen hat hier vor rund 30 Jahren das plattformübergreifende Baukastenprinzip angewandt, der Polo 6N teilt sich die Elektrik und viele Baugruppen mit dem Golf III und dem Seat Ibiza.
GTI und Harlekin
Mit dem Polo III durfte auch erstmals ein Nicht-Golf den begehrten Zusatz GTI tragen. Die 110 PS drücken den kleinen Krawalli sauber nach vorn, sind aber aus heutiger Sicht nicht weltbewegend. Interessierte Kleinwagenpiloten können aus einer Vielzahl von Benzin- und TDI Motoren auswählen und sich über diverse Sondermodelle und Ausstattungslinien freuen, allen voran der „Harlekin“.
Was haben wir gelacht, als das bunte Ding in der Werbung auftauchte. Weil dieses Sondermodell ab Werk aussah wie unsere alten, mit fremden (bunten) Blechteilen am Leben gehaltenen Karren, wegen der wir aber immer belächelt wurden. Ha. Es blieb nicht bei den 20 geplanten Werbeträgern, Volkswagen kloppte mehr als 3.000 Harlekin Sondermodelle raus, bei denen der Zufall entschied, welche Farbkombination man als Kunde bekam. Bestellen ließ sich das nicht, einzige Vorgabe war: keine zwei gleichen Farben nebeneinander.
Die üblichen Problemchen
Hört man sich in der Szene um, dann begegnen einem beim Polo 6N die klassischen „Macken“ der 90er Jahre. Neben möglichem Rost an allen Falzen und Kanten und teils schlechtem Lack machen bei den Benzinern die Katalysatoren, Zündspulen und Luftmassenmesser gern die Grätsche. Im Inneren greift sich der Softlack auf Schaltern und Armaturen unschön ab, die Gurte rollen sich nicht mehr richtig auf und die elektrischen Fensterheber sind schwergängig, wenn sie denn überhaupt funktionieren. Irgendwann bricht der Griff vom Handschuhfach ab. Immer. Aber das alles ist keine „Erfindung“ von VW.
Die besonderen Probleme
Gravierender sind Motorschäden, die bei den Benzinmotoren im Winter durch einfrierende Ölsiebe und Ölrückführungen entstehen. Das ist ein typisches Kurzstreckenproblem, aber genau dafür wird dieses Fahrzeug ja leider oft genutzt. Ab und an mal ordentlich warmfahren schafft hier Abhilfe und vertreibt Kondenswasser in den ölführenden Bauteilen. Die Stehbolzen der Abgaskrümmer reißen überdurchschnittlich häufig ab, was zu hör- und riechbaren Undichtigkeiten führt. Das Problem haben auch die genügsamen Diesel, bei denen kommen noch verkokte Turbolader dazu.
Und in aller Munde sind die genieteten Schaltgetriebe. Die Nieten reißen irgendwann unter der Last, das Getriebe versetzt auf der Achse und ein kapitaler Getriebeschaden ist das Ergebnis. Polokäufer achten also drauf, ob schon einmal ein Austauschgetriebe verbaut wurde. Einige munkeln, das sei so alle 100.000 Kilometer nötig.
Fahrspaß wie ein Großer
Abgesehen von diesen überprüfbaren Mängeln (und davon hat jedes Modell von jedem Hersteller einige) macht der Polo III richtig Spaß. Wir sind die handgeschaltete Version mit 60PS gefahren, und eigentlich fehlte es an nichts. Vorn sitzt man auch als 1,90m großer Norddeutscher entspannt, dann kann hinten allerdings nicht mehr die komplette Weinabend-Party mitfahren. Es ist und bleibt am Ende ein Kleinwagen.
Ab 1999 bekam der Polo 6N ein großes Facelift, seine komplette Elektrik basierte ab dann auf der Plattform des Lupo (vorher Golf III) und es wurden diverse technische und optische Überarbeitungen vorgenommen. Das spürt man auch im Inneren, die Armaturen sind nett, rund und angenehm blau beleuchtet. Alles sitzt da, wo man es vermuten möchte oder wo man es aus anderen Volkswagen gewohnt war. Bis auf den GTI sind die Polos keine Rennwagen, aber das wollen sie auch nicht sein. Sie bieten ausreichend Platz und dank der Heckklappe auch recht gute Möglichkeiten der Zuladung. Sie kommen zügig von A nach B, ohne dabei aufzufallen. Und als TDI sind sie unfassbar sparsam im Verbrauch.
Kleinfamilien-Van
Der Polo III gehört nicht zu den sichersten Autos seiner Zeit, im NCAP Test bekam er 1997 nur drei von fünf Sternen und auch nach Verbesserungen am Ende seiner Bauzeit nur vier von fünf Sternen. Airbags, Gurtstraffer und hintere Kopfstützen waren anfangs noch Sonderausstattung, ab 1999 zum Facelift kam noch ESP dazu. Trotzdem bietet er eine gewisse passive Sicherheit, und auch die gefühlte Sicherheit ist okay. Kindersitze haben hinten sogar einigermaßen Platz, und wenn man sich einen mit fünf Türen kauft meistert der den Alltag wirklich gut. Die Preise für diesen recht alten Autos (die ersten Polo 6N werden jetzt langsam Oldtimer) rangieren zwischen 1000€ und 3000€, und bei den günstigen Ersatzteilpreisen kann man da fast nichts falsch machen.
Polo III (6N)
Karosserieversionen: Kombilimousine, Limousine, Kombi
Ottomotoren: 1,0–1,6 Liter (33–92 kW)
Dieselmotoren: 1,4-1,9 Liter Liter (42–91 kW)
Länge/Breite/Höhe: 3.710/1.655/1.420 mm
Leergewicht: 880-1.160 kg
Produktionszeitraum: 1994-2001