Opels kleiner Renner

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Opel Speedster
Bereit für die linke Spur am Samstag Abend.

Zum Beginn des neuen Jahrtausends stand da unerwartet eine kleine Fahrmaschine mit dem Blitz auf der Nase. Tester waren voll des Lobs über den Opel Speedster Turbo mit den Fahreigenschaften eines Supersportwagens und dem Preis eines Familienvans. Inzwischen ist er schon ein „Youngtimer“ – ein rebellisches Motorrad mit vier Rädern.

 

Opel wollte es nach dem GT und dem Manta noch einmal wissen. Und da seinerzeit auch noch die kleine Sportwagenschmiede Lotus zu GM gehörte, präsentierte man der Welt auf Basis der Lotus Elise einen limitierten, wendigen Flitzer mit Mittelmotor. Im englischen Hethel wurden 2001 die ersten Renner in Handarbeit gefertigt. Rund drei Tage brauchte ein Opel Speedster, bis er fertig für die Auslieferung war.

Sportwagen
Sportwagenflair aus Handarbeit.

250 Newtonmeter an nur 930kg

Drehte unter der kleinen Haube im Nacken der maximal zwei Insassen anfangs noch ein 2,2 Liter Sauger mit 147 PS, wurde ab 2003 der 2,0 Liter ECOTEC Turbo angeboten, den es auch im Zafira und Astra gab. Im Speedster zog sein Drehmoment von immerhin 250 NM aber an nur 930 Kilogramm, und das war eine klare Ansage!

Turbomotor
Der Turbomotor dreht im Nacken der Passagiere

Der kleine Neuankömmling hat ein Chassis aus Aluminium, was geschraubt, genietet und geklebt ist und damit steifer daherkommt als die geschweißte Varianten herkömmlicher Autos. Der Unterboden ist vollständig glatt und ohne Sicken. Die nicht selbsttragende GFK Karosserie ziert nach oben ein Stoffdach oder ein optionales Hardtop.

Opel Speedster
Eigenständiges Design – heute sehr angenehm.

Ein wirklich flaches Ding

Das silbergraue Ding, was hier vor uns im einsetzenden schwäbischen Nieselregen steht, ist definitiv alles andere als erwachsen. Ausgereift ja, aber noch immer jung und wild. Auf der anderen Seite ist es allerdings auch nicht größer geworden. Auch wenn das so gewollt war – einem durchschnittlichen Norddeutschen geht der Opel Speedster Turbo gerade mal bis zur Gürtelschnalle. Man blickt auf ihn herab, und auf dem Zebrastreifen tritt man gern mal auf ihn drauf. Das Einsteigen ist unterhaltsam. Strecken, falten und ein paar knackende Gelenke ignorieren – und drinsitzen. Das ist gar nicht mal so unbequem, aber wirklich tief, sehr tief unten. Das ist ein Opel?

Sandmann
Wenn man erstmal drin ist…

Es gibt sogar einen Startknopf, sowas erwartet man nicht pauschal bei so einem Auto. Der Motor schreit von hinten kurz auf und röchelt dann aus zwei übereinanderliegenden Rohren. Die Sounddesigner hatten sich damals schon Mühe gegeben, den Motor nicht wie einen Vierzylinder klingen zu lassen. Das ist ihnen gelungen. Wenn das Wastegate vom Turbo beim Gas wegnehmen laut aufzischt, könnten Klang und Form des silbrigen Bodendeckers auch den Eindruck eines 10 Mal so teuren Supersportwagens erwecken.

Formel 1
Formel 1 Feeling für die Straße.

4,7 Kilogramm pro PS

Gang einlegen, Kupplung kommen lassen und los. Zweiten Gang einlegen und weiter. Dritten Gang einlegen und weg. Der Speedster drückt voran wie ein Hubraumriese und klebt in Kurven am Boden wie ein Kart. 4,7 Kilo pro PS sind Oberklasse, unter der Glasfaserkarosserie steckt echte Renntechnik. Die Verbindung zur Straße erfolgt über eine eher ungewöhnliche Reifenkombination: Vorn 175/55 R17, hinten 225/45 R17. Damit untersteuert der Speedster bei zu schnell gefahrenen Kurven, ein herkömmlicher Mittelmotorflitzer neigt eher zum Übersteuern. Beim Kurvenräubern saugt der gut versteckte 16-Ventiler durch die seitlichen Kiemen hinter den Türen seine Frischluft an, die Abwärme drückt der angesaugte Fahrtwind durch den tief liegenden Grill und den darüber flach liegenden Kühler nach oben aus der Motorhaube wieder raus.

Opel Speedster
Kein Plüsch im Speedster.

Purismus als Fahrmaschine

Beim Kurbeln am kleinen, sehr direkten Lenkrad wird man von nichts Überflüssigem abgelenkt. Hier drin ist alles weggelassen worden, was Gewicht hat und nicht unbedingt benötigt wird. Einen plüschigen Teppich gibt’s nicht. Es dominieren Kunststoff, Karbon, ein wenig Leder und blankes Aluminium. Zwei Rundinstrumente und ein paar Schalter – ein echtes Kart hat auch nicht weniger Instrumente als dieser Opel. Aber er ist auch nicht für den gemütlichen Sonntagsausflug gebaut worden, allein weil in den „Kofferraum“ maximal eine Kulturtasche passt. Also ähnlich wie beim Motorrad.

Opel Speedster Kofferraum
Verzicht kann asketisch sein.

Der Speedster Turbo ist eine reine Fahrmaschine, ein Auto zum Spaß haben, und daran ist absolut nichts verwerflich. Bei seiner Präsentation haben viele gelächelt. Ich auch. Jetzt, draußen auf der Überlandstraße, übernimmt Respekt die Regie. Von 80km/h auf 120km/h braucht der getarnte Lotus nur 5 Sekunden, was holten die Ingenieure bloß aus diesem kleinen Motor raus? Ein Lämpchen leuchtet auf, wenn geschaltet werden soll. Formel 1 Feeling mit Straßenzulassung.

Opel Speedster
Klein, aber wirklich flott!

Ein Opel Speedster ist einzigartig. Einzigartig flach, einzigartig eng und einzigartig schnell. Der Wind zerrt laut an den Scheiben den holmlosen Türen, aber der Motor und das Fahrwerk arbeiten, verzeihen Sie die abgelutschte Redewendung, wie eine Nähmaschine.

 

Eine besondere Erfahrung

Der kleine Rebell war mit 10.000 Exemplaren geplant, es griffen aber nur etwas mehr als 7.200 Kunden nach dem preiswerten Understatement-Rennwagen, den es schon für rund 36.000 Euro gab. Jeder hat seine eigene, individuelle Nummer, die auf einer Plakette am Armaturenbrett eingeschlagen ist. Sehr exklusiv. Und einen Opel Speedster zu fahren ist definitiv eine Erfahrung der ganz besonderen Art, auch wenn das Verlassen des Flitzers tatsächlich nicht ganz einfach ist. Man klettert gefühlt aus der kleinen Öffnung in einer kleinen Kiste ans Tageslicht. Leicht gefaltet, aber glücklich. Und darauf kommt es doch an.

 

Opel Speedster Turbo

Baujahr: 2003
Motor: Vierzylinder Reihe
Hubraum: 1.998 ccm
Leistung: 147 KW (200 PS) bei 5500/s
Max. Drehmoment: 250 Nm bei 1950/s
Getriebe: Viergang Schaltung
Antrieb: Hinterräder
Länge/Breite/Höhe: 3786/1708/1117mm
Leergewicht: 930 kg
Beschleunigung 0-100 km/h: 4,9s
Top Speed: 243 km/h
Wert 2023: ca. 25.000 Euro