Wenn ihr irgendwann das Radio nicht mehr lauter machen könnt, um dieses mahlende, mechanische Geräusch von vorn und/oder von hinten zu übertönen – wird es Zeit, einmal die Radlager zu tauschen. Das bringt wieder Ruhe rein und ist, je nachdem ob wir an der angetriebenen Achse schrauben oder nicht, auch relativ einfach. Relativ, wie alles bei einem älteren Auto. Unser Patient ist die (nicht angetriebene) Vorderachse eines Ford Taunus.
Vorsorge:
Wir sind uns hoffentlich einig: Selbst durchgeführte Reparaturen am Auto sollten nur erfolgen, wenn man weiß, was man tut. Wenn ihr euch nicht sicher seid, lasst euer Fahrzeug von einer Fachwerkstatt warten und instand setzen. Auf den Radlagern liegt quasi das gesamte Gewicht eines Fahrzeugs. Sie laufen in dickem Fett und sind sehr hoch belastbar, aber wenn sie falsch eingebaut werden kann das fatale Folgen haben. Die Achse kann verkanten oder blockieren, sogar die Radnabe kann bei festen Lagern abreißen. Bitte informiert euch also über die genaue Beschaffenheit der Lager eures speziellen Fahrzeugtyps.
Immer im Kreis drehen
Radlager eines Kraftfahrzeugs sind eine spezielle Bauform der Wälzlager. Sie verringern die Reibung zwischen dem Rad und der Radnabe/Achse und bestehen aus einem inneren und einem äußeren Ring, zwischen denen Rollen oder Kugeln laufen. Die Fettfüllung ist meistens seitlich mit Dichtscheiben gegen das Austreten gesichert. Je nach Achse und Bauform können auch zwei Radlager pro Seite zum Einsatz kommen, ein inneres und ein äußeres. Ihre Lebensdauer hängt stark von ihrer Belastung und Behandlung ab. Der Hersteller SKF gibt für einige seine Lager beispielsweise eine Haltbarkeit von mindestens Zweimilliarden Umdrehungen an.
Was brauchen wir für die Arbeiten?
Wir wechseln ein Radlager an einer nicht angetriebenen Achse, das ist normalerweise wesentlich entspannter als an einer angetriebenen. Trotzdem brauchen wir neben den klassischen Sachen zum Anheben des Fahrzeugs einen gängigen Werkzeugkasten mit Stecknüssen und Schraubendrehern, einen Schraubstock oder eine hydraulische Presse und einige Gegenstücke wie große Stecknüsse, um die neuen Lagerschalen einpressen zu können. Also zusammengefasst
- ein Wagenheber
- Unterstellböcke
- ein Radmutterschlüssel
- eine große Stecknuss mit Verlängerung für die Achsmutter
- Zange für den Sicherungsstift
- Schraubstock oder hydraulische Presse
- einen Abzieher
- Hammer
- Verschiedene Hülsen oder große Stecknüsse
Rad ab
Bei einem Ford Taunus ist der Ausbau der alten Lager eine reine Fleißarbeit und exemplarisch für die nicht angetriebene Achse von vielen anderen Fahrzeugen. Nach dem Aufbocken und Sichern des Vorderwagens wird das Vorderrad abgenommen. Nun lässt sich mit einem breiten Schraubendreher oder einer Zange die metallene Fettkappe abhebeln, unter der die mit einem Splint gesicherte Mutter zum Einstellen des Lagers zum Vorschein kommt.
Nabe, nicht Narbe
Der Sicherungsstift der Kronmutter lässt sich mit einer Zange entfernen, er wird beim Zusammenbau erneuert. Ist die Kronmutter abgenommen, sollte sich die Mutter darunter einfach lösen lassen. Mit ihr stellt man das Lagerspiel ein und nach, wenn die bombenfest sein sollte habt ihr noch ein ganz anderes Problem. Jetzt lässt sich die Radnabe von der Achse ziehen, in ihr stecken die Radlager. Dahinter sitzt aufgelegt die Bremsscheibe, auch die sieht reichlich vernachlässigt aus. Die tauschen wir gleich mit, wenn wir schon mal alles abgebaut haben.
Mit sanfter Gewalt austreiben
Je nachdem, was für Lager ihr in welchen Autos verbaut vorfindet lassen sich die alten Lager nun mit einem Dorn und einem Hammer, einem Abzieher oder einer Presse aus ihrem Sitz heraustreiben. Da sie sowieso entsorgt werden, muss man hier nicht sehr zimperlich vorgehen. Allerdings solltet ihr Schmarren oder Kratzer innerhalb der Nabe oder der Bremsscheibe vermeiden. Wenn die Lager schon sehr alt sind, kann ihr äußerer Ring festgerostet sein. Das ist dann definitiv der größte Teil der Arbeit, aber mit Sprühöl und etwas Gewalt ist bisher jedes alte Lager rausgekommen.
Mit Liebe und Gefühl einpressen
Bevor die neuen Radlager an ihren Platz wandern, muss die Radnabe gründlich gesäubert werden. Das alte Fett und alle Reste von Schmutz oder Rost sollten mit Bremsenreiniger ausgewaschen werden, damit die neuen Lager (innen wie außen) sauber in ihren Sitz flutschen. Das Lager wird nun gerade aufgelegt und im Schraubstock oder der Presse langsam und gleichmäßig in seinen Sitz gedrückt, bis es am Anschlag ist. Das darf auf keinen Fall mit Kraft über den inneren Ring passieren, damit zerstört ihr das Lager.
Entweder drückt ihr mit der alten, ausgebauten Lagerschale auf die äußere Lagerschale (die beiden sollten bestenfalls gleichgroß sein) oder ihr benutzt eine gleichgroße Stecknuss, die ihr vor dem Einpressen auflegt. Physiker legen das Radlager ins Gefrierfach und die Nabe in den Backofen. Die Ausdehnung und das Zusammenziehen sind so stark, dass innerhalb von wenigen Sekunden das neue Lager quasi in die Nabe „reinfällt“. Es sollte aber auch anders gehen.
Check, Bremsscheibe und gut
Sind die Lager an beiden Seiten der Nabe eingepresst, wird sie noch einmal grob von Fett und Schmutz gereinigt und mit der neuen Bremsscheibe wieder auf die Achse gesteckt. Die zentrale Mutter wird mit dem vorgegebenen Drehmoment angezogen und so weit zurück gedreht, bis die aufgesetzte Kronmutter das Loch für den Sicherungsstift freigibt. Ein neuer Stift liegt den meisten Radlagersätzen bei, prüft das bitte vorher. Der ist sehr wichtig, ohne den kann sich die Sicherungsmutter im Betrieb lösen und ihr könntet spektakulär das Rad verlieren.
Nachsorge
Wenn alles passt, kommt erst das Rad wieder drauf, dann etwas Fett in die Fettkappe und auch diese wieder mit vorsichtigen Hammerschlägen an ihren Platz. Wenn ihr zufrieden seid, das Rad frei dreht und nicht wackelt macht ihr das für die andere Seite gleich noch einmal. Vergesst nach dem Abbocken nicht, die Radmuttern mit dem richtigen Drehmoment anzuziehen und nach 100 Kilometern noch einmal zu kontrollieren. Na? Ist jetzt wieder alles ruhig? Super, und das hoffentlich für die nächsten 100.000 Kilometer.