Das Nischendasein des Mazda 121 ist zu gleichen Teilen spannend als auch aus heutiger Sicht schade – denn wer ein spezielles, zuverlässiges und preiswertes Alltagsauto sucht ist mit dem Knubbel gut bedient. Leider gibt es fast keine mehr, also widmen wir ihm heute erhöhte Aufmerksamkeit. Bevor auch die letzten weg sind.
Kia oder Ford?
Der allgemeine Käufer von deutschen Autos wie BMW, Audi, Volkswagen oder Mercedes-Benz hat nicht viele Berührungspunkte mit Kraftfahrzeugen aus asiatischen Regionen. Vielleicht hat man bei Arzt mal einen ADAC Bericht gelesen, Toyota scheint ja ganz zuverlässig zu sein, aber dann zieht man sich wieder zurück in seine Blase. Deshalb kennt auch heute kaum einer noch den Mazda 121. Der hatte damals auch leichte Persönlichkeitsstörungen.
Die erste Generation DA von 1988 bis 1991 war ein gemeinsames Projekt von Kia und Ford und glich dem Kia Pride (oder auch dem Ford Festiva, der aber vor allem in Nordamerika vertrieben wurde, weil er hinten quer in den Kofferraum der zeitgenössischen Limousinen passte). Die dritte Generation JASM und JBSM von 1996 bis 2003 wiederum war quasi ein Ford Fiesta 96. Beide glänzten durch schlechte Verarbeitung und wenig Eigenständigkeit, deshalb beleuchten wir das Modell dazwischen!
Eigenentwicklung von Mazda
Denn der DB, und nur der DB, wurde komplett von Mazda selbst entwickelt und ist ein eigenständiges Modell. Mit allen seinen Höhen und Tiefen. Die nur 3,8 Meter lange Stufenheck-Limousine wurde außerhalb Europas als „Autozam Revue“ verscherbelt und hatte im Designauftrag stehen: Keine Ecken und Kanten bitte. Das wurde konsequent umgesetzt, wer seinerzeit erstmals einen Mazda 121 sah glaubte, mitten in Entenhausen zu stehen.
Bunte Farben, schwierige Stoffmuster und optionales Zubehör wie Bärchenfelgen oder bunte Klebeblumen schränkten den Kreis der potenziellen Käufer schon damals heftig ein. Die meisten lachten einfach nur, ich auch. Die Presse nannte ihn „Das Ei“ oder „Die Käseglocke“. 30 Jahre später ist der kleine Viertürer irgendwie gereift und eine mehr als angenehme Erscheinung im sich wandelnden Straßenbild voller aggressiv guckender Riesen-SUV. Er ist durch und durch freundlich.
Ein Motor für alles
Der 1.4 Liter Vierzylinder ist ein robuster, aber rauer Gesell. Mit seinen 53PS bewegt er den 800kg-Floh gut durch den Alltag, mit den alternativen 72PS ist er in Kombination mit fünf handgeschalteten Gängen regelrecht flott. Aber über 100km/h ist die Geräuschentwicklung schon recht deutlich im Kleinwagensektor der 90er Jahre angesiedelt. Auch der Durst ist der Größe nicht angemessen, unter 8 Litern Super geht da nichts. Doch wen stört das bei so einem individuellen Auto?
Im Westen nichts Neues
Wer nach der Wende den Charme der frisch renovierten Hotels in den neuen Bundesländern mochte, wird sich im Mazda 121 rundrum wohl fühlen. Die Sitze sind straff und bequem, sehen aber aus wie die Teppiche in den Hotelfluren bei Chemnitz oder Dresden. Statt Kirschholz finden wir ansonsten nüchternes Plastik, was aber nett gestaltet ist und rundherum funktionierende Technik beheimatet. Ja, es gibt vier Türen und eine Rücksitzbank. Meine kleinen Kinder saßen da auch gut, aber es ist und bleibt natürlich ein Kleinwagen. In dem man aber auch mit 1,90 Metern Größe vorn bequem sitzen kann, auch wenn das coole elektrische Canvas Top geschlossen ist.
Die Eigenentwicklung brilliert vor allem durch eine hohe Zuverlässigkeit. Unser Fotomodell hat sagenhafte 400€ gekostet, und alles funktioniert tadellos. Mazda halt. Ersatzteile wie Bremsscheiben oder Bremsklötze, Bremsschläuche, Wärmetauscher oder Wasserkühler sind noch problemlos zu bekommen. Nach 30 Jahren nagt auch Väterchen Rost an der Karosserie, das hält sich aber bei minimaler Pflege in Grenzen.
Das meinst du doch nicht ernst?
Was einen Mazda 121 DB heute aber vor allem ausmacht sind nicht seine Zuverlässigkeit oder seine interessante Ausstattung – es ist seine Form. Er ist die vielleicht kleinste, viertürige Stufenhecklimousine mit einem richtigen Kofferraumdeckel, die ich je gefahren bin. Und in den Kofferraum gehen immerhin 290 Liter rein. Die Leute reagieren durchweg freundlich, wenn sie einen 121 sehen. Sie heben an der Ampel den Daumen oder sprechen einen an der Tankstelle an.
Dann gibt es noch die, die einen fragen, ob man eine Wette verloren habe. Oder ob man das Auto wirklich ernst meinen würde. Aber wenn man den Wagen eine Zeitlang durch die Welt bewegt hat argumentiert man mit fester Stimme für ihn. Dass man vor einem Starkregen mal vergessen hat, das Dach zu schließen – egal. Dass der Tür- und Zündschlüssel im Schloss steckend abbricht – lustig, irgendwie. Die Basics sind gesund und stimmen, mit einem Mazda 121 bleibt man nicht liegen. Und der Rest ist optisch und haptisch ein Cartoon, das macht ihn einzigartig.
Mazda 121, ein kleiner Freund
Die Zeiten, in denen ein 121 für 400€ mit TÜV zu bekommen war sind leider vorbei. Im Netz tauchen aber immer wieder mal welche auf, einige ehrlich und preiswert, andere im absurd teuren Sammlerzustand. Aber wer ein individuelles, zuverlässiges und überschaubares Auto sucht kann sich mal drauf einlassen. Ich schiebe mal eine CD rein (auch schon wieder retro) und gleite glücklich durch die 90er. Irgendwie war da vieles noch ein bisschen… freundlicher.
Sandmann
Mazda 121 (Typ DB)
Bauzeitraum: 1991 – 1996
Karosserien: Limousine
Benzinmotoren: 1,4 Liter 16V
Dieselmotoren: –
Preise 2023: 2.000€-4000€