Zahn(riemen)pflege

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Sandmann
Kurz mal in der Mittagspause – beim Twingo geht das

Wenn bei modernen Motoren der Zahnriemen reißt, ist das gar nicht lustig – je nachdem bei welcher Geschwindigkeit das passiert verabschiedet sich das komplette Triebwerk damit in den Motorenhimmel. Deshalb wechsle ich heute am Renault Twingo 16V den Riemen vorsorglich, inklusive Wasserpumpe.

 

Vorsorge:

Wir sind uns hoffentlich einig: Selbst durchgeführte Arbeiten am Auto sollten nur erfolgen, wenn man weiß, was man tut. Wenn ihr euch nicht sicher seid, lasst euer Fahrzeug lieber von einer Fachwerkstatt warten. Bei den meisten Autos ist der Zahnriemenwechsel komplizierter als beim Renault Twingo, oft wird auch Spezialwerkzeug benötigt. Und wenn ihr grobe Fehler macht, droht Totalschaden. Also macht euch schlau und nehmt meine kleine Geschichte vor allem als Inspiration, es einmal selbst zu versuchen!

Motor
Da drunter irgendwo…

Warum die Wechselintervalle einhalten?

Nicht jedes Fahrzeug hat einen Zahnriemen. Die Ventilsteuerung oben im Zylinderkopf kann auch durch eine oder mehrere Steuerketten oder Stirnräder erfolgen. Der Zahnriemen ist bitte nicht zu verwechseln mit dem Keilriemen oder Rippenriemen, die sitzen vorn am Motor und treiben Nebenaggregate wie die Lichtmaschine oder die Servopumpe an. Der Zahnriemen sitzt stramm unter einer Abdeckung, wird zwischen der Kurbelwelle (unten) und der Nockenwelle (oben) gespannt und hat meistens die Kühlmittelpumpe noch mit im Durchlauf. Er steuert das reibungslose Zusammenspiel der sich auf und ab bewegenden Kolben und der sich öffnenden und schließenden Einlass- und Auslassventile.

Je nach Fahrzeug muss so ein Zahnriemen alle 80-120.000 Kilometer oder nach einer Anzahl von Jahren gewechselt werden. Reißt er unerwartet, „hängen“ oben im Zylinderkopf die Ventile geöffnet durch, und von unten kommen die Kolben. Es gibt einige wenige „Freiläufer“ Motoren, bei denen auch in der obersten Position der Kolben die Ventile nicht berührt werden. Bei den meisten schießen bauartbedingt aber die Kolben die offenen Ventile durch den Zylinderkopf durch, oder sie verbiegen sie. Schäden an den Kolbenböden, den Lagern und dem kompletten Zylinderkopf sind vorprogrammiert. Deshalb mit dem Wechsel lieber nicht zu lange warten…

Rippenriemen
Zuerst muss der Rippenriemen ab.

Was brauchen wir für die Arbeiten?

Für den Zahnriemenwechsel am Renault Twingo 16V genügt ein kleiner Ratschenkasten, eine große „Nuss“ für die Riemenscheibe und eine lange Verlängerung für die Ratsche. Außerdem ein Wagenheber, Aufstellböcke und ein Drehmomentschlüssel. Zum Wiederbefüllen des Kühlwasserkreislaufs benötigen wir destilliertes Wasser und den geeigneten Kühlmittelzusatz. Tatsächlich habe ich die Arbeiten mit einfachsten Hausmitteln hinten auf dem Hof in der Mittagspause erledigt.

Motorlager
Das Motorlager kann auch gleich neu…

Motorlager ab, Kühlwasser raus

Die Lichtmaschine wird entspannt, dann lässt sich der Rippenriemen abnehmen. Oben auf wird der kleine Vierzylinder von einem Motorlager an der Karosserie gehalten, was aus Hartgummi und Aluguss besteht. Das muss ab, es ist die obere Abdeckung des Zahnriemens. Ich beschließe spontan, das auch gleich neu zu besorgen, aber das ist eine andere Geschichte. Wenn die untere Abdeckung entfernt ist, kann das Kühlwasser in einen geeigneten Behälter abgelassen werden, denn die Pumpe wechseln wir gleich mit.

Zahnriemen wechseln
Jetzt wird alles sichtbar

Mit sanfter Gewalt

Um besser an den Riementrieb zu kommen, muss hier das Auto aufgebockt und das rechte Vorderrad sowie der innere Radkasten entfernt werden. Die untere Riemenscheibe sitzt sehr fest auf dem Kurbelwellenrad und kann nur mit einer großen Verlängerung gelöst werden.

Zahnriemen wechseln
Hoffentlich gut gefrühstückt

Damit der Motor dabei nicht ungewollt mitdreht, hat ein findiger Techniker bei Renault ein Loch im Schwungrad und dem Motorblock so fluchten lassen, dass man bei OT mit einem Dorn die Kurbelwelle fixieren kann. Ein Bohrer tut’s zur Not auch.

Motor
Damit der Motor nicht mitdreht…

Die (wie ich) altersblinden unter euch können noch eine farbige Markierung auf die beiden Räder malen, dann fällt das Einstellen nachher leichter. Anders als der Keil- oder Rippenriemen kann der neue Zahnriemen nicht einfach aufgelegt werden. Das muss in der richtigen Position von Nockenwelle und Kurbelwelle zueinander passieren, hierfür besitzt jeder Motor eigene Markierungen.

Zahnriemen wechseln
Doppelt markiert hält besser

Spannrolle und Wasserpumpe

Ist die Spannrolle gelöst und entfernt, kann man den alten Riemen abnehmen. Nun lässt sich auch die Kühlmittelpumpe abschrauben und entfernen. Sowohl die Spannrolle als auch die Wasserpumpe werden bei den meisten Fahrzeugen bei einem Zahnriemenwechsel pauschal mit ausgetauscht. Das ist effizienter, als später z.B. bei einer undichten Wasserpumpe erneut den Zahnriemen abnehmen zu müssen. Es gibt deshalb sogenannte „Zahnriemen Kits“, bei denen gleich alle Teile dabei sind. Das hier ist von Conti und beinhaltet den Riemen, die Spannrolle und die Wasserpumpe mit allen benötigten Dichtungen.

Wasserpumpe
Raus mit der alten Wasserpumpe

Beim Einbau der neuen Wasserpumpe auf saubere Auflageflächen und die richtige Position der Dichtung achten – sonst ist das neue Bauteil gleich wieder undicht. Auch sollten die richtigen Drehmomente eingehalten werden, ein Drehmomentschlüssel kostet nicht die Welt.

Zahnriemen wechseln
Frisch abgedichtet

Das Ergebnis ist „spannend“

Ist der neue Zahnriemen über die neue Wasserpumpe stramm auf die Riemenscheiben gelegt, setzt man beim Twingo die Spannrolle auf die richtige Position. Oft muss der Riemen mit ihr über einen Exzenter auf die richtige Vorspannung gebracht werden, als Faustregel sagt man, dass er sich mit den Fingern an seiner längsten Strecke um höchstens 90 Grad verdrehen lassen darf. Dafür gibt es auch sogenannte Sehm-Messgeräte, mit denen sich die Spannung mechanisch prüfen und mit einer Tabelle vergleichen lässt.

Der neue Zahnriemen
Der neue Zahnriemen liegt auf.

Beim kleinen Twingomotor gibt es quasi keine „längste Strecke“ des Zahnriemens, deshalb macht es mich einigermaßen glücklich, dass der 16-Ventiler eine automatische Spannrolle hat. Wenn sie festgeschraubt ist, zieht man den Sicherungsstift und die Feder drückt den Riemen auf die richtige Spannung. Bis zum nächsten Wechsel. Da sag nochmal jemand, die Franzosen können keine genialen Motoren bauen. Ich sehe das anders. Sicherungsdorn/bohrer entfernen und den Motor dreimal durchdrehen. Stimmen die Markierungen auf Nockenwellenrad und Kurbelwellenrad noch? Top! Riemenscheibe draufsetzen und alle Schrauben festziehen. Alles mit den richtigen Drehmomenten, bitte.

Zahnriemen wechseln
Knirz knirz – und dann mit Drehmoment.

Nachsorge

Sind alle Kunststoffverkleidungen wieder aufgesetzt, das Motorlager an seinem Platz und der Rippenriemen über die Lichtmaschine gespannt kann frisches Kühlwasser aufgefüllt werden. Ist alles dicht? Dann starten wir den Motor und freuen uns, wenn nichts klappert (zu locker?) oder wimmert (zu fest?) und alles auch dauerhaft rund läuft. Patient gesund, wieder Ruhe für mehrere Jahre.